In Bremen werden Tatsachen geschaffen. Der auf Kommunalfahrzeuge spezialisierte Hersteller Faun begann dort unter der neuen Marke Enginius mit der Serienproduktion von Lkws mit Wasserstoffantrieb – als einer der ersten Anbieter weltweit.
Wasserstoff: Bestens geeignet, um schwere Fahrzeuge anzutreiben
Wasserstoff (H2) ist ein farb- und geruchloses Gas, das von allen Brenn- und Treibstoffen die höchste massebezogene Energiedichte hat. Ein Kilogramm davon enthält genauso viel Energie wie 2,1 Kilo Erdgas oder 2,8 Kilo Benzin (bezogen auf den unteren Heizwert). Dass sich das Gas hervorragend eignet, um schwere Fahrzeuge anzutreiben, hat Faun mit seinen Produkten längst bewiesen: In Städten wie Berlin, Duisburg, Bochum und Brüssel sind schon seit einiger Zeit Abfallsammelfahrzeuge mit Wasserstoffantrieb im Einsatz. Sie helfen nicht nur, Müll und Reststoffe zu beseitigen, sondern gleichzeitig die Luft in den Städten sauber und die Lärmbelastung niedrig zu halten.
Patrick Hermanspann: „Unsere Fahrzeuge sind in der Regel dort unterwegs, wo Familien wohnen und Kinder spielen. Aus diesem Grund ist es für uns wichtig, die Emissionen der Fahrzeuge zu minimieren. Jetzt gehen wir einen Schritt weiter und stellen unser Know-how mit Enginius allen zur Verfügung, die sich für einen nachhaltigen, sauberen, geräuschlosen und emissionsfreien Waren- und Lastverkehr interessieren.“
Eine Tankladung reicht für 400 Kilometer
Unter der neuen Marke kommen Fahrgestelle ohne Antrieb, sogenannte Gleiter, von Daimler Trucks zum Einsatz, die von den Bremern mit modernster Technologie ausgestattet werden: Sie erhalten Hochdrucktanks für den gasförmigen Wasserstoff, der im Fahrbetrieb mithilfe von Brennstoffzellen in Strom umgewandelt wird. Dieser Strom lädt die eingebauten Puffer-Batterien und treibt den Lkw an. Das Befüllen der Wasserstofftanks dauert maximal 15 Minuten und damit deutlich kürzer als die durchschnittliche Ladezeit von herkömmlichen Elektrofahrzeugen. Eine Tankladung reicht für rund 400 Kilometer, wobei die Nutzlast der Lkws ähnlich ist wie bei einem Dieselfahrzeug.
Carlos Aramayo, der Enginius gemeinsam mit seinem Geschäftsführer-Kollegen Thorsten Baumeister leitet, sieht ein erhebliches Potenzial für die Produkte des Unternehmens. „Die Auftragslage ist sehr gut“, erzählt der Ingenieur, „obwohl wir erst vor wenigen Monaten gestartet sind. Nach aktuellem Stand der Planung werden wir im laufenden Jahr 100 Lkws fertigstellen, und 2023 soll die Fertigung auf etwa 200 Fahrzeuge verdoppelt werden.“

Doch es komme auch auf die kleinen Dinge an, sagt der Chef. Wer mit ihm durch die Fertigung geht, glaubt gern, dass hier schon immer sparsam mit Energie umgegangen wurde. Das habe ihm schon sein Vater beigebracht, der abends im Personell ist Enginius schon gut ausgestattet, derzeit sind rund 80 Mitarbeiter in den Hallen des Bremer Unternehmens tätig. Einer von ihnen ist Marc Monsees, der gerade eine Brennstoffzelle an den Kranhaken hängt, um sie vor dem Einbau noch einmal zu überprüfen. „Das ist das Herzstück unserer Fahrzeuge“, sagt Monsees. „In der Zelle verbindet sich der Wasserstoff in einer elektrochemischen Reaktion mit Sauerstoff, wodurch elektrische Energie freigesetzt wird – ganz ohne schädliche Abgase.“
Die Brennstoffzellen, die in den Fahrzeugen von Enginius arbeiten, stammen von einem kanadischen Hersteller, der zu den weltweiten Marktführern zählt. Die Wasserstoff-Drucktanks und die Hochvolt-Batterien kommen aus Ostasien und die Elektromotoren von einem Anbieter aus Baden-Württemberg. Das Fahrgestell, das die Bremer bislang als Plattform für ihre Lkws nutzen, ist ein Dreiachser von Daimler Trucks.
Ausgestattet mit dem Wasserstoffantrieb von Enginius wird er unter dem Modellnamen „Bluepower“ als Trägerfahrzeug für Müllsammel- oder Kehrmaschinen-Aufbauten angeboten. Diese Produktreihe erhielt bereits einen Branchenpreis, und zwar den „H2Eco Award“, der in diesem Jahr erstmalig auf der Hannover Messe verliehen wurde. Der Preis zeichnet technische Innovationskraft, Unternehmertum und Wirtschaftlichkeit sowie ökologische Aspekte aus und wurde von der Deutschen Messe und dem Deutschen Wasserstoff- und Brennstoffzellen-Verband (DWV) ins Leben gerufen.

„Citypower“: Neues Modell dürfte stark nachgefragt werden
Weitere Enginius-Modelle sind schon in der Pipeline. Geschäftsführer Aramayo: „Auf Basis eines anderen Gleiters von Daimler Trucks fertigen wir ab Ende 2022 zusätzlich einen Zweiachser, der aufgrund seiner Flexibilität und Vielseitigkeit auf große Nachfrage stoßen dürfte.“ Das Modell wird unter dem Namen „Citypower“ vermarktet und ist in erster Linie für den Lieferverkehr vorgesehen.
Die Entwicklungsarbeit findet ebenfalls in Bremen statt, wie Carlos Aramayo anmerkt. „Unser Vorteil ist, dass wir alle Funktionen hier am Standort haben und dadurch autark agieren können. Dazu gehört auch ein Team mit über 20 Entwicklern.“Ein weiterer Ausbau der Belegschaft ist geplant. „Wir freuen uns über jede Bewerbung“, so Aramayo. „Wir suchen bevorzugt Fachkräfte mit einem breiten Spektrum, zum Beispiel Mechatroniker, außerdem Techniker und Ingenieure verschiedenster Disziplinen.” Zukunftssicher dürften diese Jobs auf jeden Fall sein, denn die meisten Experten sind sich einig: Im Frachtverkehr hat Wasserstoff enormes Potenzial.