Wenn Forschungsinstitute, Hochschulen und die Forschungsabteilungen von M+E-Unternehmen kooperieren, entstehen bahnbrechende Ideen. Das zeigt das Projekt Carbon2Chem. Das Konsortium hat herausgefunden, wie Stahl CO2-neutral hergestellt werden kann. Damit bleibt die Atmosphäre trotz der Verbrennung von fossilen Brennstoffen geschützt. Der Staat kann solche Erfolge im Herz der Wirtschaft mit Investitionen in eine exzellente Forschungslandschaft fördern.
Das Werk dampft und schmaucht. Weiße Wasserdampfwolken quellen aus den Schornsteinen, überschüssige Hüttengase werden abgefackelt. In den Hochöfen von thyssenkrupp in Duisburg werden jährlich 10 bis 13 Millionen Tonnen Stahl produziert. Das ist der größte Stahlstandort in Deutschland. Und er soll in absehbarer Zeit klimaneutral werden. Das ganze CO2, das die Produktion ausstößt, soll aufbereitet und verwertet werden. Dünger, Kunst- und Kraftstoffe, die heute weitgehend aus Erdöl, Erdgas und Kohle gemacht werden, können daraus entstehen. Ein Konsortium aus Industrie und Wissenschaft erforscht im Projekt Carbon2Chem, wie Millionen Tonnen CO2 aus der Stahlproduktion in Nützliches verwandelt werden können.
thyssenkrupp leitet den Zusammenschluss, zu dem sieben Chemiekonzerne sowie Siemens, VW, mehrere Hochschulen und Forschungsinstitute gehören. Der Essener Anlagenbauer und Stahlproduzent baut neben seinem Werk in Duisburg eine Pilotanlage, die im Frühjahr 2018 in Betrieb gehen soll. In diesem Technikum werden die Hüttengase gereinigt und vorbereitet. In verschiedenen Labors testen die Partner vor Ort, was sie aus den darin enthaltenen Wasserstoff, Stickstoff, Kohlendioxid und Methan herstellen können. Etwa Methanol, das als Brennstoff und als Vorläufer für viele Endprodukte dienen kann und sich zudem leicht transportieren lässt. Aber auch andere Alkohole, Ammoniak oder Polymere kommen in Frage.
Das Herz der Wirtschaft treibt Klimaschutz voran
Das Ziel: ein Kreislauf, wie es ihn bei anderen Materialien längst gibt. „Stahl recyceln wir zu 90 Prozent“, sagt der Technologiechef von thyssenkrupp, Reinhold Achatz. Das CO2 zu verwerten, sei weit besser, als es nur aufzufangen und zu lagern. Denn ganz vermeiden ließe sich das Treibhausgas nicht. Heutige Anlagen seien kaum mehr zu optimieren. Auch braucht die Stahlproduktion die Kohle: Aus Steinkohle wird unter Luftabschluss und Hitze Koks. Das harte poröse Material ist notwendig, damit im Hochofen das Eisenerz bei rund 1500 Grad schmilzt. Dabei läuft eine chemische Reaktion ab, die Eisen und Kohlendioxid freisetzt. Achatz: „Wir müssen akzeptieren, dass manche Industrien immer CO2 ausstoßen werden.“ 7 Prozent der weltweiten Emissionen stammen aus Kokereien und Hochöfen.
Bisher verbrennt thyssenkrupp die Hüttengase im firmeneigenen Kraftwerk und erzeugt Strom. Künftig wird ein Teil davon für die Chemieproduktion abgezweigt. Und zwar dann, wenn Energie in großen Mengen und zu günstigen Preisen zur Verfügung steht. „Die Aufbereitung und Verwertung der Hüttengase verbraucht enorme Mengen an Strom: Damit das Ganze ökologisch Sinn macht, muss er aus erneuerbaren Quellen stammen. Aber das Angebot an Ökostrom variiert nach Wetterlage, die Stahlproduktion lässt sich jedoch nicht flexibel hoch- und runterfahren“, schildert Projektkoordinator Markus Oles das Problem.