Hoffnungsträger der Energiewende

Bis zu 80 Prozent der Gebäude lassen sich mit Wärmepumpe beheizen, schätzt Branchengröße Stiebel Eltron. Die M+E-Industrie ist bereit für die große Wende. Doch Verbraucher und Politik müssen reagieren.

In Bremen werden Tatsachen geschaffen. Der auf Kommunalfahrzeuge spezialisierte Hersteller Faun begann dort Einst war sie ein Nischenprodukt, das in wenigen Ländern wie Skandinavien, der Schweiz und Frankreich gefragt war. Doch das hat sich radikal verändert. Heute gilt sie als Hoffnungsträger der Energiewende: die Wärmepumpe.

Tatsächlich haben der zunehmende Fokus auf Klimawandel, erneuerbare Energien und die Abkehr von Russland infolge des Angriffskriegs auf die Ukraine dazu geführt, dass der Wärmemarkt sich drastisch wandelt. „Die Wärmepumpe wird den Gaskessel ablösen und zum Standard-Heizsystem werden“, sagt Henning Schulz, Kommunikationschef von Stiebel Eltron, dem Weltmarktführer für Komfortdurchlauferhitzer. „Eine neue Ära hat begonnen.“

Nachfrage nach Wärmepumpen enorm gestiegen

Das spiegelt sich in den Absatzzahlen der Branche. Wurden 2019 deutschlandweit noch rund 86.000 der Geräte abgesetzt, kletterte die Zahl nach Angaben des Bundesverbands Wärmepumpe im vergangenen Jahr auf 154.000. Circa 1,2 Millionen Menschen nutzen hierzulande eine Wärmepumpe. 

Und nun sollen es in kurzer Zeit noch sehr viel mehr werden: Bei einem Gipfeltreffen mit Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) wurde vereinbart, dass Wirtschaft und Bundesregierung gemeinsam die Voraussetzungen dafür schaffen, dass ab 2024 mindestens eine halbe Million Geräte jährlich neu installiert werden können. Bis 2030 sollen sechs Millionen installiert sein.

Henning Schulz (r.) von Stiebel Eltron mit einem Endkunden. (Foto: Stiebel Eltron)
Henning Schulz (r.) von Stiebel Eltron mit einem Endkunden. (Foto: Stiebel Eltron)

Wärmepumpen – so funktionieren sie

Die erforderliche Technologie stammt aus dem Herzen der Wirtschaft, von Unternehmen der Metall- und Elektro-Industrie wie Stiebel Eltron. Das Prinzip ist einfach: Die Wärmepumpe entzieht dem Außenbereich Wärme und gibt sie als Heizenergie an das Haus ab. Dabei benötigt sie nur einen kleinen Anteil Strom für Antrieb und Pumpe. Wärmepumpen schonen also das Klima, weil sie rund 75 Prozent der Heizenergie aus der Umwelt beziehen. 

Die gewonnene Energie wird dann auf die Temperatur gebracht, die im Haus gewünscht ist. Energie aus der Luft habe zwar eine deutlich niedrigere Temperatur als aus Erdreich und Grundwasser, sagt Schulz. Die Wärmepumpe müsse dort also eine höhere Leistung erbringen. Aber: „Die Luft lässt sich als Energiequelle viel leichter erschließen als die anderen beiden Quellen, wo erstmal Löcher gebohrt werden müssen.“ Deshalb sei die Luftwärmepumpe das dominierende Gerät auf dem Markt.

Ihre Leistung ist beachtlich. Aus einer Kilowattstunde Strom könnten Wärmepumpen drei bis sechs Kilowattstunden Wärme produzieren, erklärt Schulz. Das Verhältnis liegt also bei mindestens 1:3. Damit seien sie wesentlich leistungsstärker als andere Heizsysteme, denn mit Öl und Gas hingegen ließe sich lediglich ein Wert von 1:1 erreichen. 

Doch was, wenn der erforderliche Strom aus Gaskraftwerken kommt? „Viele sehen das als Problem. Aber das ist ein Fehler“, sagt Schulz. Denn aus dem genutzten Strom lasse sich mit einer Wärmepumpe eben deutlich mehr Wärme produzieren.

Stiebel Eltron weitet Produktion deutlich aus

Die Unternehmen arbeiten mit Hochdruck daran, die Nachfrage nach Wärmepumpen möglichst schnell bedienen zu können. „Wir werden unsere Kapazitäten in den nächsten drei Jahren verdoppeln oder sogar verdreifachen“, sagt Stiebel-Eltron-Vertreter Schulz. Der Hauptstandort Holzminden in Niedersachsen soll zu einem Kompetenzzentrum für Luftwärmepumpen ausgebaut werden. Andere Produktionsbereiche werden dafür nach Eschwege in Hessen verlagert. 

„Für ein Traditionsunternehmen wie uns ist es ein enormer Schritt, einen Großteil der traditionellen Fertigung vom Hauptstandort wegzuverlagern“, sagt Schulz. Doch den nehme das Unternehmen auf sich, um die Wärmewende vorantreiben zu können. Das Unternehmen beschäftigt insgesamt 4500 Mitarbeiter und ist händeringend auf der Suche nach zusätzlichem Personal.

Doch das Engagement der Industrie allein reicht nicht. Man sei mit dem Wärmepumpengipfel zwar sehr zufrieden gewesen, sagt Schulz. Aber: „Das klare Commitment, dass künftig 500.000 Wärmepumpen pro Jahr hinzukommen sollen, darf nicht verwässert werden.“ Die Politik dürfe die Bürger bei der Entscheidung, sich vom Gaskessel zu verabschieden, nicht verunsichern. „Der Endkunde muss ganz klar wissen, dass er mit der Wärmepumpe auf der sicheren Seite ist“, so Schulz. Das heißt: Wärmepumpen müssten weiter gefördert werden. 

Auch bei den Strompreisen müsse die Bundesregierung langfristig für Stabilität sorgen. „Wir können die Energiewende nicht schaffen, wenn Strom so teuer ist, dass er völlig unattraktiv ist.“ Er müsse dauerhaft so günstig werden, dass es im Wärmemarkt und auch in anderen Bereichen attraktiv sei, auf elektrifizierte Prozesse zu setzen.

Stiebel Eltron will in der Wärmepumpen-Produktion schnellstmöglich mehr Fachkräfte einstellen. (Foto: Stiebel Eltron)
Stiebel Eltron will in der Wärmepumpen-Produktion schnellstmöglich mehr Fachkräfte einstellen. (Foto: Stiebel Eltron)

Große Chance auch für ältere Häuser  

Das größte Potenzial sieht Stiebel Eltron im Privatsektor – und dort längst nicht mehr nur im Neubau. „Wir müssen dringend an den Bestand“, sagt Schulz. „Unsere Schätzungen zeigen: 70 bis 80 Prozent der bestehenden Gebäude lassen sich problemlos mit Wärmepumpen beheizen.“   

Ein weit verbreiteter Irrtum sei, dass die Wärmepumpe für viele alte Häuser nicht geeignet sei aufgrund der Vorlauftemperatur. Das ist die Temperatur, auf die die Wärmepumpe das Heizungswasser bringen muss. Je höher sie ist, desto mehr Arbeit muss die Wärmepumpe leisten. „Es wird oft so getan, als ob jedes Haus mit 70 Grad Vorlauftemperatur beheizt werden muss. Das stimmt aber oft nicht“, sagt Schulz. In den meisten Fällen lasse sich die Vorlauftemperatur auf 55 bis 60 Grad reduzieren. Das könnten Wärmepumpen definitiv leisten. Bei Fußbodenheizungen sei das immer der Fall. 

Bei Stiebel Eltron hofft man nun, dass Verbraucher und Politiker die aktuelle Situation als Chance sehen. „Natürlich ist die Lage gerade schwierig, weil man auf Handwerker und auf die Geräte warten muss“, sagt Schulz. Es müsse aber eine Akzeptanz dafür geben, dass die Umrüstung auf eine Wärmepumpe nicht mehr innerhalb von vier Wochen leistbar sei. „Es ist sinnvoll, jetzt mit dem jeweiligen Handwerker zu planen, die Umrüstung nach der nächsten Heizperiode oder Ende nächsten Jahres umzusetzen.“ Das sei immer noch sehr zügig, denn die Wärmewende sei ursprünglich für zehn bis 15 Jahre angelegt gewesen. Nun verlange die ganze Welt akut nach Wärmepumpen. Deshalb brauche es Ausdauer und Geduld, um nicht nur die heimische Nachfrage bedienen zu können, sondern gleichzeitig auch noch stärker im Export zu werden. Das werde sich lohnen, sagt Schulz: „Es ist eine Riesenchance für alle, wenn die deutsche Heizungsindustrie weiterhin führend ist in der Welt.“