Viele Unternehmen der Metall- und Elektro-Industrie arbeiten mit enormem Einsatz daran, Energie zu sparen und unabhängiger von Gas zu werden. Einer der Vorreiter ist Bosch. Am Standort Homburg im Saarland etwa konnte der Verbrauch um Tausende Megawattstunden reduziert werden. Dort werden Injektoren für Dieselmotoren von Lkw und Pkw gefertigt. Der zuständige Energieeffizienz-Experte Gerhard Stopp erklärt, wie wichtig weitere Erfolge für die Industrie sind, um aus der Abhängigkeit von Russland herauszukommen.
Herr Stopp, Sie haben in Homburg ein System installiert, um in der Produktion Energie einzusparen. Wie funktioniert das?
Wir schalten alle Maschinen ab, die nicht benötigt werden. Das mag banal klingen, ist in großen Produktionshallen aber überhaupt nicht selbstverständlich. Bei uns liefen viele Maschinen früher auch an Wochenenden weiter, vor allem aus Sorge, dass es beim Wiedereinschalten zu Problemen kommen könnte. Das kostete enorm viel Energie – etwa 50 bis 60 Prozent eines Fertigungstags, obwohl ja samstags und sonntags gar nichts gefertigt wurde. Das ist inzwischen mehr als zehn Jahre her und wir haben uns sehr stark verbessert.
Was haben Sie genau erreicht?
Wir hatten zum Glück gute Kontakte zu alternativen Lieferanten. Parallel haben wir ein gutes Verständnis von den In allen Hallen hier in Homburg schalten wir inzwischen über 90 Prozent der Maschinen zeitweise aus. Und zwar nicht nur an Wochenenden, sondern auch bei kürzeren Unterbrechungen wie Betriebsversammlungen. 100 Prozent wird man nie erreichen können, weil der Aufwand größer wäre als der Nutzen. Ein Beispiel ist die Spritzgussmaschine, mit der wir Anschlussstücke für die Injektoren herstellen: Jedes Mal, wenn sie abgeschaltet wird, muss man sie vollständig leeren und reinigen, sonst wird die Masse darin hart.
Dort, wo die Ausschaltung möglich ist: Drückt dann ein Mitarbeiter auf einen Knopf oder funktioniert das automatisch?
Bei uns gibt es beide Varianten. Einige Maschinen werden noch manuell ein- und ausgeschaltet, andere werden von einem Algorithmus gesteuert. Letzteres ist besonders effizient: Wenn zum Beispiel seit 15 Minuten keine Teile mehr über ein Laufband kommen, hält das Band an oder fährt komplett runter. Über eine Zeitschaltuhr lässt sich auch festlegen, dass Maschinen genau dann bereit sind, wenn die erste Schicht losgeht. Wenn wir neue Anlagen kaufen, achten wir darauf, solche Energieoptionen mitzubestellen. Das ist wie bei einem Auto, wo man sich gewisse Ausstattung dazu bestellen kann.
Ihr Energiesystem kann auch Heizung und Lüftung herunterfahren, wenn wenige oder gar keine Menschen im Raum sind.
Ja, das ist extrem vorteilhaft, weil die Mitarbeiter nicht mehr daran denken müssen, sich um Wärmezufuhr und Belüftung zu kümmern. Auch das funktioniert über einen Algorithmus, der anhand des erzielten Outputs erkennt, wie viel Wärme und Luftzufuhr nötig ist. Das ist ein hervorragendes Beispiel, wie Industrie 4.0 schon heute im Alltag funktionieren kann. Künftig könnte es auch möglich sein, Sensoren zu nutzen, die die Präsenz von Personen in Echtzeit wahrnehmen und entsprechende Anpassungen auslösen können, etwa das Licht oder die Heizung ausschalten. Und wir betreiben Leckage-Management.
Was ist Leckage-Management?
Es geht darum, Löcher und andere Schäden an Leitungen zu finden, die Druckluft durch unsere Hallen transportieren. Druckluft wird für viele Produktionsschritte gebraucht, sie zu erzeugen kostet aber sehr viel Energie. Deshalb ist es besonders wichtig, regelmäßig zu prüfen, dass keine Druckluft verloren geht. Unsere Mitarbeiter machen das einmal im Monat mithilfe von Ultraschall-Geräten mit Kopfhörern, die solche Schäden identifizieren können.
Wie viel Energie sparen Sie ein, seitdem Sie strategisch auf Effizienz achten?
Unser Ziel ist, pro Jahr im Schnitt 3500 bis 4000 Megawattstunden Energie einzusparen. So sparen wir Kosten in Höhe von einer halben Million Euro. In den vergangenen zehn Jahren lag die Ersparnis insgesamt bei elf Millionen Euro. Das ist eine Erfolgsstory für das Unternehmen.

Bosch hat weltweit ganz unterschiedliche Standorte. Sind andere ähnlich aktiv wie der im Saarland?
Definitiv. In Homburg haben wir eine eigene Gruppe für Energieeffizienz, von deren Wissen und Erkenntnissen die anderen Standorte profitieren. Ob in China, Indien oder der Türkei: Alle haben unsere Ansätze teilweise übernommen. Wir beraten auch andere Unternehmen außerhalb der Bosch-Familie und helfen ihnen, ähnliche Maßnahmen wie wir umzusetzen.
Welchen Stellenwert haben Effizienzmaßnahmen wie bei Ihnen in Homburg, um die Abhängigkeit von Gas zu reduzieren?
Energieeffizienz ist schon lange einer der wichtigsten Hebel, um unabhängiger von Gas zu werden. Wenn wir weiter unsere Verbräuche reduzieren und die Effizienz steigern, wird das viel bewirken. Zusätzlich erzeugen wir selbst regenerative Energie.
Wie viel Energie erzeugen Sie selbst?
In Homburg haben wir drei große Solaranlagen – zwei auf dem Freiland, eine auf dem Dach. Aktuell decken diese fünf Prozent unseres Energiebedarfs, in spätestens drei Jahren sollen es aber schon 12 bis 15 Prozent sein. Gerade sind wir dabei, zu ermitteln, welche Flächen noch für Solaranlagen infrage kommen. Im Idealfall werden wir die erzeugte Energie nicht nur direkt verbrauchen, sondern auch speichern und in Wasserstoff umwandeln. Bei der dezentralen Erzeugung erneuerbarer Energien ist noch vieles möglich.
Bis wann wollen Sie unabhängig sein von Gas?
In Homburg haben wir drei große Solaranlagen – zwei auf dem Freiland, eine auf dem Dach. Aktuell decken diese fünf Wir werden frühestens 2025 so weit sein, kein Gas oder Öl mehr verfeuern zu müssen.
Was wünschen Sie sich für die Industrie auf diesem Weg von der Politik?
Die Politik könnte deutlich mehr machen, um Unternehmen in Sachen Energieeffizienz zu fördern. Bosch hat das in der Vergangenheit häufig mit eigenen Mitteln gemacht, weil es keine passende Förderung für Großunternehmen gab. Das sollte sich künftig ändern.