Die Lieferketten werden wieder regionaler

Engpässe in den Lieferketten haben die Produktion in der Pandemie ausgebremst. Nun verschärft der Ukraine-Krieg die Situation. Wie die Firma Boge damit umgeht.

Schon in der Pandemie stand die Produktion in vielen Unternehmen der Metall- und Elektro-Industrie phasenweise still. Die globalen Lieferketten sind gestört, der Angriffskrieg Russlands in der Ukraine hat die Engpässe weiter verschärft. Auch der Kompressorenhersteller Otto Boge GmbH & Co. KG sucht nach alternativen Lieferanten und Materialien – allerdings nicht erst seit den jüngsten Krisen, wie Geschäftsführer Olaf Hoppe erklärt: Auch Innovationen und Nachhaltigkeitsziele fordern Anpassungen in den Lieferketten. Die allerdings können nur mit enormen bürokratischen Aufwand umgesetzt werden.

Wie hat sich das Thema Lieferketten bei Ihnen in der jüngsten Vergangenheit entwickelt?

Die Situation hat sich verschärft. Dahinter stehen mehrere Entwicklungen: Das aktuelle Geschäft wächst durch die positive Entwicklung der Vergangenheit, damit auch der Lageraufbau. Da wir zudem neue Maschinen entwickeln, kommen neue Technologien zum Einsatz, die einen entsprechenden Materialeinkauf und neue Lieferanten mit sich bringen.

Wir sehen zudem, dass sich die Welt verändert: Nicht nur durch den Krieg in der Ukraine und die Pandemie. Nachhaltigkeit ist bei uns schon länger Thema. Wir fragen immer mehr danach, wo die Waren für unsere Produktion herkommen. In unserer Nachhaltigkeits-Charta sprechen wir uns für Lieferanten aus, die nachhaltig sind und nach unserem ethischen Grundverständnis fertigen.

Boge-Geschäftsführer Olaf Hoppe sieht auch aus Gründen der Nachhaltigkeit Änderungsbedarf in den Lieferketten. (Foto: Boge)
Boge-Geschäftsführer Olaf Hoppe sieht auch aus Gründen der Nachhaltigkeit Änderungsbedarf in den Lieferketten. (Foto: Boge)

Wie haben Sie auf Engpässe in den Lieferketten reagiert?

Wir hatten zum Glück gute Kontakte zu alternativen Lieferanten. Parallel haben wir ein gutes Verständnis von den Artikeln, die kritisch sind. So haben wir sehr schnell gehandelt und ein Lager aufgebaut, wo immer das möglich war. Wo es nicht gelungen ist, haben wir die Maschinen vorgebaut und beiseite gestellt, bis die Teile da waren. Im Wesentlichen fehlte der Chip, für den wir wie so viele andere Unternehmen Steuerungsprobleme in der Lieferung
hatten.

Wie macht sich die angespannte Situation in der Energieversorgung durch den Ukraine-Krieg bei Ihnen bemerkbar?

Wir sehen, dass Lieferanten energieintensiver Teile nicht mehr arbeiten können, weil sie die Energierechnung nicht mehr bezahlen können. Das sind vor allem Gussteile, für die wir nach Alternativen suchen. Beim Stahl können das zum Beispiel Kunststoffe sein. Für die eigene Energieversorgung konzentrieren wir uns auf alternative Energiequellen: Zum Beispiel haben wir eine Solaranlage auf dem Dach, die wir weiter ausbauen werden. Auch eine Wärmepumpe und die Wärme der ausgehenden oder abgehenden Energie der Kompressoren nutzen wir für unseren eigenen Wärmebedarf. Aber natürlich sind wir auch abhängig von Gas, das vor allem aus Russland kommt.

Führen all diese Abhängigkeiten und Engpässe zur De-Globalisierung?

Die Märkte werden global bleiben – aber nicht so global, wie sie mal waren. Wir werden eine Konzentration auf wenige große Länder sehen, in die die Kerntechnologien ein Stück weit zurückgeholt oder neu aufgebaut werden. Die ersten Schritte sind bereits gemacht, wie wir an der Chipindustrie mit neuen Fabrikationsanlagen auch bei uns in Deutschland sehen.

Beim Stahl haben wir uns in Deutschland und Europa leider verkauft, da wird man sehen müssen, wie die Produktion künftig in Einklang mit Nachhaltigkeitszielen zu bringen ist. Aber es zeigt genauso wie das Thema Sondermetalle, dass die Abhängigkeit von China und Russland hoch ist.

Diese Maschinen müssen auf fehlende Teile von Zulieferern warten. (Foto: Boge)
Diese Maschinen müssen auf fehlende Teile von Zulieferern warten. (Foto: Boge)

Werden Prozesse wieder internalisiert und die arbeitsteilige Wirtschaft zurückgedreht?

Die Lieferketten werden wieder regionaler sein. Denn wir werden die Schiffe nicht mehr haben, die etwa von Australien hier hochfahren. Entweder kommen dann die Teile aus der Region, oder es wird unfassbar teuer. Da wird auf jeden Fall ein Sinneswandel eintreten.

Was kann die Politik tun, um Versorgungsprobleme zu entschärfen?

Unsere globalen Verquickungen sind vom Anti-Dumping bis zu Zollthemen durchbürokratisiert. Ich glaube, wir sind in der Gesamtbetrachtung der Ketten zu kompliziert. Wenn Sie als Unternehmen in der Lieferkette Veränderungen vornehmen, ist das ein unfassbarer bürokratischer Aufwand. Ich wünsche mir zudem eine zukunftsorientierte
Gestaltung der stabilen Versorgung mit elementaren Ressourcen wie Gas, Strom und Wasser. China zum Beispiel hat die gesamte Wertschöpfungskette sehr gut abgebildet und sich schon seit Jahrzehnten auf die heutige Engpassthematik vorbereitet.

Beim Thema Metalle müssen wir Wege finden, wie wir an die Produkte kommen. Die Zusatzstoffe, um Stahl herzustellen, kommen ja heute nicht mehr aus Europa. Wie bauen wir das Wissen auf, um diese nicht-verfügbaren Ressourcen wiederzubekommen? Und schließlich würde uns auch die schnellere Integration und Anerkennung von Menschen und Abschlüssen aus anderen Ländern helfen. Denn wenn wir die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht haben, helfen uns auch keine Rohstoffe und Vorprodukte.

Fotos: BOGE KOMPRESSOREN Otto Boge GmbH & Co. KG